Montag, 20 Mai 2024
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Systematik

Als der schwedische Naturforscher Carl Nilsson LINNÆUS (= Carl von LINNÉ) im Jahr 1753 sein Buch „Species Plantarum“ veröffentlichte, stellte er darin auch die Gattung Cactus auf – mit damals lediglich 22 Arten! In den folgenden Jahrhunderten führten die zunehmenden Reisen nach Amerika dazu, dass immer mehr Arten gefunden, beschrieben und nach Europa importiert wurden. Um die immer größere Vielfalt der bekannten Kakteen zu strukturieren, wurde die Systematik zunehmend umfangreicher und differenzierter – unter anderem entstanden dabei auch die heute noch gültigen „Einzelgattungen

  • Acanthocephala (BACKEBERG, C. 1934-38) – der 1942 für die gleiche Gattung publizierte Name „Brasilicactus“ ist daher ungültig!
  • Brasiliparodia (RITTER, F. 1979)
  • Eriocephala (BACKEBERG, C. 1934-38) – der 1942 für die gleiche Gattung publizierte Name „Eriocactus“ ist daher ungültig!
  • Notocactus (FRIČ, A.V. 1928)
  • Parodia (SPEGAZZINI, C.L. 1923)
  • Wigginsia (PORTER, D.M. 1964) – gültiger Name statt „Malacocarpus“ (1850)

In den Jahren 1966 bis 1975 veröffentlichte Hans KRAINZ mit Hilfe mehrerer anderer Autoren die Loseblattsammlung „Die Kakteen“. 1967 erschien darin die Theorie von Franz BUXBAUM, dass die Pflanzen der oben genannten Gattungen (mit Ausnahme der Parodien!) „… unbestreitbar einen sehr gut in sich geschlossenen und isolierten Stammbaumast, somit nur eine Gattung“ bildeten und kombinierte sie daher nur noch als Untergattungen zu der von ihm so geschaffenen „Großgattung Notocactus“.

verwandtschaftsbeziehungenIn den folgenden Jahren ergaben sich vor allem aufgrund erheblicher Unterschiede bei den Früchten und Samen zunehmend Zweifel an der Theorie der Großgattung Notocacatus. Dies führte schließlich dazu, dass Fred Hermann BRANDT 1982 zunächst die Einzelgattungen Acanthocephala (= „Brasilicactus“) und Eriocephala (= „Eriocactus“) zu Untergattungen der Gattung Parodia umkombinierte. Wenige Jahre später wurde von der International Organization for Succulent Plant Study (IOS) eine Arbeitsgruppe namhafter Botaniker gebildet mit dem Ziel, eine international akzeptierte Klassifikation der Kakteen zu erarbeiten. Mehrheitlich entschieden sich die Arbeitsgruppenmitglieder für ein weniger differenziertes "kompakteres" System mit insgesamt nur noch 86 Gattungen. Dies führte 1986 zu dem von David Richard HUNT und Nigel Paul TAYLOR veröffentlichten Modell einer „Großgattung Parodia“, in der alle oben aufgeführten „Einzelgattungen“ zusammengefasst und auch die Zahl der anerkannten Arten deutlich reduziert und umkombiniert wurde.

Grafik: Hypothese zu den Verwandtschaftsbeziehungen
aufgrund phylogenetischer Analysen der Erbsubstanz (DNS)
(frei nach Nyffeler, R.)

2015 hat Joël LODÉ mit seinem Buch „Taxonomy of the Cactaceae“ neue Bewegung in das Thema gebracht: Er schließt sich weder der Sichtweise von BUXBAUM (Großgattung Notocactus) noch der von HUNT & TAYOR (Großgattung Parodia) an, sondern listet stattdessen die wieder separierten Gattungen Notocactus, Brasiliparodia, Acanthocephala, Eriocephala und Wiginsia. Dabei zieht er unter anderem DNA-Untersuchungen von Reto NYFFELER & Marlon MACHADO heran, die aufgrund von Gensequenzierungen zeigen, dass die Gattung Parodia in ihrem zuletzt extrem weit ausgelegten Konzept polyphyletisch ist, sprich: sie enthält Pflanzen, die nicht näher miteinander verwandt sind, weil sie an verschiedenen Ästen des Stammbaums entstanden sind. 

(Stark gekürzte Zusammenfassung der Artikel in der Zeitschrift INTERNOTO 38 (1): 3-40 (2017))

... und nun?

internoto 2017 1Die zeitliche Folge der Gattungstheorien führt nicht dazu, dass die jeweils vorangegangene Theorie „automatisch“ ihre Gültigkeit verliert und nur noch die jeweils neueste „richtig“ ist! Die einzelnen Modelle sind unterschiedliche Meinungsbilder der jeweiligen Verfasser, denen man sich entsprechend seiner eigenen Sichtweise anschließen kann - oder nicht.

Wir raten allerdings dringend dazu, die schon seit Jahrzehnten ungültigen Gattungsnamen Brasilicactus, Eriocactus und Malacocarpus zukünftig nicht mehr zu verwenden, auch wenn die Umgewöhnung zunächst vielleicht etwas anstrengend ist.

Nach der umfangreichen Aufarbeitung dieser Problematik in unserer Zeitschrift (INTERNOTO 1/2017) und darauf folgenden Diskussionen hat sich der Verein INTERNOTO - Internationale Gesellschaft der Notokakteenfreunde e.V. zugunsten des differenzierteren taxonomischen Modells der Einzelgattungen (entsprechend BACKEBERG, RITTER & LODÉ) ausgesprochen. Diese Systematik wird daher entsprechend auch als Grundlage für die Strukturierung dieser Internetseite angewendet.

 

Gattung Acanthocephala ("Brasilicactus")
„Bildet kurzröhrige, kleine Blüten mit bestacheltem Ovarium und Frucht. Sie haben nichts mit Notocactus zu tun.“ (Aus: Backeberg 1938).
Gattung Brasiliparodia
"Der Körper ist kugelförmig und weicher wie bei Notocactus. Die Rippen sind sehr zahlreich, wenige Millimeter hoch und kaum eingekerbt. Die Höcker sind rund und Mamillen ähnlich. Die Dornen sind zahlreich, nadelförmig und stechend. Der Mitteldorn ist dunkler und meist stark hakenförmig." (Aus: Ritter 1979)
Gattung Eriocephala ("Eriocactus")
"Während Notocactus in meinem Sinne keinen Wollscheitel bildet, roten Griffel und schlaffe, bei der Reife größtenteils hohl werdende und in die Länge wachsende Früchte hat, zeigt Eriocephala eine volle Beere, einen Wollscheitel, große flattrige Blüten und gelben Griffel bzw. Narben". (Aus: Backeberg 1938)
Gattung Wigginsia ("Malacocarpus")
„Als Salm-Dyck das Genus Malacocarpus aufstellte, bezog er darin nur Pflanzen aus der Formengruppe seines Typus ein, d.h. mit fast zentralständigen, kurzen Blüten; Griffel bzw. Narben rot; Röhre stark bewollt; Ovarium beschuppt, wollig und beborstet; Früchte weich und beerenartig; bei der Reife ± aus dem stets vorhandenen, im Alter zunehmenden Wollscheitel hervortretend. Die Pflanzen sind breitrund, kugelig oder in zwei Fällen auch stärker länglich; gewöhnlich wachsen sie einzeln.“ (Aus: Backeberg 1959)

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  • INTERNOTO-Heft 1/2024

    Aus dem Inhalt: Graham Charles: Eriocephala lenninghausii – „goldene“ Juwelen an steilen Klippen (Seite 3-8) Sergio Klein und Gustavo Garabelli: Notocactus brederooianus Prestlé (Seite 9-15) Peter Krämer: Ein Blick in alte INTERNOTO-Zeitschriften - 1989 (Seite 16-20) Dr. Wolf-Rainer Abraham: Bemerkungen zu Notocactus submammulosus (Lem.) Backeberg (Seite 21-32)